Sonntag, 29. Januar 2017

Te Puke

Die ersten drei Wochen haben wir auf einer Kiwi-Plantage gearbeitet. 7 Tage die Woche 9 Stunden, wenn es nicht geregnet hat. Unsere Aufgabe war das sog. "Bud thinning", also alle überflüssigen Knospen zu entfernen. Entweder waren zu viele an einem Zweig, oder die Form der Knospen war nicht gut genug. Durchgängig wurde knapp über Kopfhöhe gearbeitet, mit beiden Händen. Anfangs war es wirklich eine Qual. Arme hoch, Kopf in den Nacken und dann Reihe für Reihe abarbeiten. 😩Besonders für Nacken und Rücken war das nicht so witzig.  Aber immerhin wurde nach jeder Stunde ein kurzes Stretching gemacht. Zudem gab es zur Mittagspause fast immer vom Chef was zu futtern und Caffee satt. Und alle, auch die "Aufseher" waren immer nett. Die Arbeitsbedingungen waren also wirklich gut, gerade im Vergleich zu den Bedingungen auf den meisten anderen Kiwifarmen. Kaum Pausen, von den Supervisorn angeschrien werden.... Da hatten wir wirklich Glück! 👌

Irgendwann fing an das Gerücht zu kursieren, dass ein Teil von uns demnächst in der factory weiter arbeiten würde, und der andere weiterhin auf der Plantage. Wir hatten Glück, wahrscheinlich weil wir länger als die meisten anderen arbeiten wollten, und durften in die factory. Zwar wusste zu dem Zeitpunkt noch keiner, was es dort zu tun gab, aber alle waren scharf auf eine Abwechslung. Wir erfuhren nach und nach immer mehr über die Arbeit, die uns bevorstand: In dieser Fabrik werden einmal im Jahr die Pollen der männlichen Kiwiblüten gewonnen. Die Blüten werden von u.a. denen, die weiterhin draußen arbeiteten, gepflückt und säckeweise zu uns gebracht. Dann wird kontrolliert, ob auch die richtigen Blüten gepflückt wurden, denn sie müssen zu einem bestimmten Grad geöffnet sein, damit der Prozess funktioniert. 🌼
















Danach geht es auf ein Fließband mit den Blüten, und weiter werden sie durch drei sich drehende Trommeln geleitet. Durch das Umherwirbeln werden die anther (Stempel) herausgeschleudert und landen auf dem Boden. All die anther werden als dünne Schicht auf Sperrholzplatten verteilt, die dann einige Stunden in einem warmen Schrank getrocknet werden. Weiter geht es mit dem Cycloning. Die Sperrholzplatten werden mit einem Staubsaugerschlauch abgesaugt und in einen Zyklon geleitet. Der bewirkt, dass die Pollen aus den Stempeln gewirbelt werden.













Und magischer Weise landen die Pollen dann als feiner heller Staub in einem Glas. Nun kommt der Feinschliff: Die Pollen in ein sauberes  Glas umfüllen, Deckel drauf, Label drum und ab in die Gefriertruhe. Und da warten Sie dann, bis sie für viel Geld gekauft werden.


















Gut ist das ganze übrigens, weil Kiwipflanzen überdurchschnittlich viele Versuche bei der Bestäubung benötigen. Und auf natürliche Weise kommt das nur selten zustande. Daher hilft man etwas nach, indem man viele zusätzliche Pollen über die Pflanzen streut.
Aber bis wir damit anfingen, wurde erstmal die Halle startklar gemacht. Ein paar Tage räumen, putzen, Maschinen ausprobieren. Zudem haben wir erfahren, dass wir, wenn die Saison richtig gestartet ist, etwas mehr verdienen werden, weil wir ein paar Sonderaufaben mit etwas mehr Verantwortung erhielten. Robert wurde zum zweiten Manager und hat nebenbei ein Experiment geleitet, ich hatte die Aufsicht darüber, ob die Menge der gewonnenen Pollen zur Menge der Blüten passt,  also ob der Prozess effizient läuft. Zusätzlich durfte ich die Qualität der Pollen unterm Mikroskop überprüfen. Aber noch nicht genug: Man hat uns einen Firmenwagen gestellt, um uns nicht das tägliche Zeltauf- und abbauen zuzumuten. 😊 Mit diesem Job hatten wir einen echten Jackpot. 5 Wochen dauerte die Saison. Da die Blumen tagsüber gepflückt wurden, haben wir erst nachmittags angefangen zu arbeiten und dann aber oft bis in die Nacht.
Im Nachhinein hat das Arbeiten ziemlich Spaß gemacht, v.a. auch weil das gesamte Team aus Backpackern vom Te Puke Holidaypark bestand. Wenn wir nicht arbeiteten, saßen wir auf unserem Ghetto-Campingplatz beisammen und bei der Arbeit war es einfach angenehm, dass sich alle so gut kannten. Da gab es Anton aus Rostock, mit dem besonders politisch-weltanschauliche Diskussionen nie langweilig wurden. Pablo aus Argentinien, dessen trockenen, schwarzen Humor wir erstmal lernen mussten einzuordnen. 🤔😎 Tobi und Hannes,  unsere Zeltnachbarn aus Bayern, die mit ihren Streitereien ein perfektes altes Ehepaar abgaben und uns damit köstlich unterhielten. Nur um die zu nennen, die bis zum "bitteren Ende" mit uns ausgeharrt haben. Es war einfach eine richtig schöne Zeit mit euch allen!🙄💚














Unsere Unterkunft für diese zwei Monate war übrigens ein Caravanpark, in dem scheinbar die unterste Schicht der Gesellschaft hauste, die hier -traurig aber wahr- v.a. aus Maori besteht. Entsprechend heruntergekommen war das Gelände, aber günstig -und das ist nun mal alles was zählt im Leben eines Backpackers. Nicht selten wurden wir Zeugen von Drogenrazzien, Gesprächen über die kriminelle Vergangenheit der Leute, Kindern, die morgens erstmal ein paar Pommes mit Nutella bekamen und letztlich eines Diebstahls -am eigenen Leibe erfahren. Auf mysteriöse Weise verschwand eines Abends mein Iphone von der Ladestation in der Küche, wo ich es für nicht mal fünf Minuten unbeaufsichtigt zurück ließ. Niemand hatte etwas gesehen und später erfuhren wir, dass sowas hier regelmäßig passierte...
























Bis Mitte Dezember waren wir in Te Puke. Am Abreisetag luden uns Jill und Graeme, unsere lieben Chefs, noch zum Frühstück am Meer ein. Auch Wynn, deren Sohn war dabei. Er tourt gerade ziemlich erfolgreich als Modedesigner um die Welt. So hatten wir einen schönen letzten Morgen in der Bay of Plenty, bevor die Reisezeit in Neuseeland für uns anbrach.🏞🚗