Montag, 29. August 2016

Indien die Erste

Spät abends landeten wir in Chennai und freuten uns nur noch auf ein gemütliches Bett und fuhren per Taxi zur Unterkunft. Das erste besonders indische Erlebnis, war es doch unsere turbulenteste Fahrt überhaupt. Auf der Überholspur, die sich hier einfach links UND rechts befindet, ging es in rasantem Tempo durch den dichten Verkehr. Die Hupe wird dabei natürlich durchgehend gedrückt. Wie unser amerikanischer Mitfahrer und Indienkenner gleich erklärte: Das macht man in Indien so, um seinen Mitfahrern zu signalisieren in welchem Abstand man sich zu ihnen befindet und welches Manöver man gerade plant. (They are not angry 😉) Viel mehr als Hupe und Gaspedal scheint man also nicht zu brauchen um im Verkehr klarzukommen. 😎 Und alles, jede Kleinigkeit wird extra berechnet. Das Anschalten der Klimaanlage, des Radios.... So gewöhnten wir uns schnell ein "No, no, it's okay, we don't need!" an.
Aber nicht genug Kulturschock für diesen Abend. Unser Hostel-Zimmer beschreibt Robert immer liebevoll so: Als hätte jemand ein Bett in Opas Hühnerstall gestellt. Die Bettlaken voll mit fragwürdigen Flecken, ein Loch als Klo. Aber überzeugt euch selbst anhand der Bilder.



Während ich irgendwie versuchte mich halbwegs mit der Bruchbude anzufreunden, ging Robert durch die nächtlichen Gassen, um uns eine Flasche Wasser zu besorgen. Er traf auf unzählige Obdachlose, die mit nichts als einem Lumpen am Körper auf der blanken Straße schliefen oder ihre Notdurft eben da verrichteten. Aber dies sollte nicht die erste Konfrontation mit Indiens übergroßer Armut bleiben. Sie begegnet einem überall. Viele sitzen einfach nur da und scheinen ihr Leid einfach zu ertragen, andere betteln. Frauen wie Männer, Krüppel und Blinde, v.a. alte Menschen. Als Europäer ist das nur auszuhalten, wenn man akzeptiert, dass man hier nichts ändern kann und versucht, es als Normalität zu sehen.
Nachdem sich unser Eindruck von Chennai als laute, volle, dreckige Stadt auch am nächsten Morgen nicht besserte, entschieden wir uns die Stadt zu verlassen und machten uns per Bus auf nach Pondicherry. 🚌Das Busfahren ist hier total unkompliziert. Man geht zum Busbahnhof, fragt sich durch zu dem Bus des Wunschziels, steigt ein und fährt los. Das Busnetz ist sehr dicht und alle Ziele werden jede halbe Stunde angesteuert. Für ~50Cent pro 100km kommt man so nahezu an jedes Ziel. Man braucht nur etwas Geduld, darf nicht zu viel Komfort erwarten und muss sich mit der indischen Fahrweise abfinden.


 
In Pondicherry hatten wir umso größeres Glück mit unserem Zimmer. Es standen sogar kostenlos Fahrräder zur Verfügung, mit denen wir die nächsten beiden Tage die Stadt erkundet haben. Wenn man die Klingel genau so benutzt wie die Autos ihre Hupen und ohne zu zögern dahin  lenkt, wo man hin möchte, kommt man auch als Radfahrer auf Indiens Straßen zurecht.
Auch aßen wir das erste Mal so richtig indisch. Alles wird auf Edelstahlplatten, -Tellern, und -Schälchen serviert. Oft gibt es Chapathi  (dünnes Brot in Form eines Pfannkuchen) oder Reis mit diversen Saucen und Salaten. Man nehme dann mit der rechten Hand Reis oder etwas Brot und vermansche es auf seinem Palmenblatt  (das als Teller dient) mit den Beilagen. Und dann führe man die Hand mit Inhalt zu Munde. Daran gewöhnt man sich wirklich schnell! Getrunken wird immer Wasser. Aber auch das geschieht auf besondere Art: Man halte den Becher senkrecht über den Mund, öffne diesen und lasse das Wasser geschickt von oben hineinplätschern, ohne in Berührung mit dem Becher zu kommen. So trinkt hier wirklich jeder! Auch das meistern wir jetzt nach einiger Übung. Wir lieben das indische Essen. Zwar ist es mir ab und zu ein wenig zu scharf und Robert ist erst zufrieden, wenn er auch Chicken zu dem Veggie-Kram bekommt. 😉 Aber der Geschmack  ist immer wieder göttlich.
In Pondicherry gab es einen tollen, farbenprächtigen Basar. So viele intensive Farben, die, wenn sie zusammen kommen, unglaublich schön wirken. Und dazu Gerüche, die wir bis dahin gar nicht kannten.















Dagegen muss man sich auf den Straßen nicht selten die Nase zu halten. Müll ist einfach überall. In Flüssen, am Straßenrand, auf allen öffentlichen Plätzen. Neben dem miserablen Abfallsystem sind aber v.a. die einzelnen Leute Schuld, die ihren Dreck einfach da liegen lassen wo es ihnen passt.
In Pondicherry schauten wir uns noch das Mahatmar Gandhi Denkmal und den botanischen Garten an.
Woran wir uns noch gewöhnen mussten? An das Angestarrt Werden. Alle gucken uns an. Die Kinder staunen einfach nur und die anderen schauen uns möglichst unauffällig an, manche lächeln oder grüßen schüchtern. Dies machen bei mir aber nur Frauen, bei Robert nur Männer. Denn zu schnell wird normaler Blickontakt zwischen Mann und Frau hierzulande missverstanden.
Enige Männer wollen mit Robert ins Gespräch kommen. Es kommt zu nettem Smalltalk. Und je älter die Kerle sind, desto konsequenter ignorieren sie mich. Man merkt unterschwellig auf jeden Fall immer wieder wie viel mehr Wert Männer hier sind.
Schwierig ist auch das Ja und Nein der Inder voneinander zu unterscheiden. Das Ja, was man hier ständig sieht, ist eher ein seitliches mehrmaliges Kopfwackeln. Das Nein dagegen ist eher ein einmaliges Schütteln.  Vielleicht muss man es gesehen haben, um es zu verstehen. 👳

Bisher ist Indien das beeindruckendste Land in dem wir waren. Bestimmt bleiben diese drei Wochen nicht unser letztes Indien-Abenteuer. Es gibt noch so viel zu sehen! Demnächst gibt's was über Auroville zu lesen -solltet ihr mal googlen- und unsere Reise in den Westen bis nach Kochi.